Pecunia non olet! Oder vielleicht doch? So oder so: Heute reden wir über Kohle, über schnöden Mammon – und darüber, wie man es in den USA als Hausärztin oder Hausarzt auf über 1 Mio. USD zusätzliches Honorar im Jahr im bringen können soll. Wir reden darüber, welche Haken die Sache hat. Wir sprechen über den Tanz ums goldene Kalb. Und wir suchen Analogien zur Situation hierzulande.
Aber Moin erst einmal!
Plus für alle hier: die Zusammenfassung und die Literatur.
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Unser Thema heute ist die Vergütung der Primärversorgung in den USA. Anlass dafür ist ein Kommentar im JAMA:
tl;dr: Die USA versuchen gerade, Hausärztinnen und Hausärzten mit neuen Codes kräftig mehr Honorar zu geben. Dabei stolpern sie über dieselben Hürden wie wir Deutschland: zu viel Bürokratie, zu wenig Struktur, zu viele Fehlanreize und der Streit ums Geld zwischen den Fachgebieten. Eine Erkenntnis: Auch bunte Aufkleber machen aus einem sinkenden Schiff noch kein stabiles System. 🚢💬
💵 Zwischen Schlaraffenland und sinkendem Schiff
Das US-Gesundheitssystem ist ein Flickenteppich aus Medicare, Medicaid und privaten Versicherungen, Primary Care ist seit Jahrzehnten unterfinanziert. Ein Déjà-vu aus deutscher Sicht. In Medicare und Medicaid läuft die Abrechnung über sogenannte RVUs (Relative Value Units), ein Punktesystem. Technische Leistungen sind auch dort beim Honorar bevorzugt, die sprechende Medizin systematisch benachteiligt.
Die Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) versuchen nun gegenzusteuern: Neue Codes für „Advanced Primary Care Management“ (APCM) sollen Hausärztinnen und Hausärzte besserstellen, das sind zusätzliche monatliche Pauschalen pro Patient, abgestuft nach sozialer Lage. Im Idealfall winken bis zu 100 Dollar pro Monat und Patient. Klingt paradiesisch und nach Schlaraffenland? Ja, aber ein Schlaraffenland mit Zuzahlung. Denn ob das Geld tatsächlich bei den Praxen ankommt, bleibt offen. Bürokratie, Personalmangel und Zuzahlungshürden könnten die schöne Theorie rasch ausbremsen.
🏥 Concierge-Medizin und Business-Class beim Hausarzt
Ein weiteres amerikanisches Phänomen ist die „Concierge-Medizin“: Wer es sich leisten kann, zahlt ein paar tausend Dollar extra und bekommt dann „Hausarzt Plus“ – Soforttermine, viel Zeit, Business-Class-Versorgung. Die Kehrseite: Die Ärztinnen und Ärzte betreuen weniger Patienten, und für den Rest wird die Versorgung noch enger.
Eine Parallele zur deutschen Diskussion etwa um Wahltarife: Die Ressourcen werden konzentriert, und am Ende bleibt weniger für alle.
⚖️ Fehlanreize und alte Muster
Wie immer, wenn Geld ins Spiel kommt, stellt sich die Frage nach den Fehlanreizen. Viele neue Codes in den USA werden kaum genutzt, wegen Dokumentationspflichten oder Zuzahlungsbarrieren. Und: Wer die vorgeschlagenen neuen Codes in der Behavioral Health abrechnen will, braucht Psychiater – ein rares Gut in den USA.
Außerdem sollen die neue Codes aus anderen Fächern gegenfinanziert werden, eine echte Umverteilung: Spezialfächer sollen verlieren, damit Primary Care gewinnt. Politisch und innerärztlich steht ein Verteilungskampf an, mit gehörigem Konfliktpotenzial. Uns erinnert es an den hiesigen Eiertanz bei der GOÄ-Novelle oder jüngst den Streit um die Vorhaltepauschale.
Das nächste Risiko solcher neuen Codes ist Upcoding: Wenn’s gut läuft, wird die Versorgung besser. Wenn’s schlecht läuft, gibt’s nur Abrechnungsoptimierung. Das bringt keine Versorgungsqualität, nur neue Bürokratien. Und die einzigen Profiteure sind die Abrechnungsdienstleister, die Geld aus dem System abziehen.
🧩 Integration oder Industrialisierung?
Ein Kernziel der neuen Codes ist die bessere Verzahnung von Primary Care und Behavioral Health – also somatischer und psychischer Versorgung. Theoretisch klingt das nach Integrierter Versorgung, praktisch könnte es den Trend zu industriellen Gesundheitsdienstleistern verstärken. Vor allem große, investorengetriebene Praxisketten könnten profitieren könnten, weil sie die nötigen Strukturen und Personalressourcen eher bereitstellen können als die keine GP Practice.
🚢 Bunte Aufkleber auf einem sinkenden Schiff
Die Parallelen zwischen USA und Deutschland liegen auf der Hand: Unterfinanzierung der sprechenden Medizin, Überbewertung technischer Leistungen, und das ewige Ringen um faire Vergütung.
Nur helfen dagegen ein paar neue Abrechnungsziffern? Wir meinen: Solche Maßnahmen sind oft wie bunte Aufkleber auf einem sinkenden Schiff. Man dreht an kleinen Stellschrauben, aber die strukturellen Probleme bleiben.
Literatur
Song Z. Paying Primary Care More—Will It Work This Time? JAMA 2025;334(18). doi: https://doi.org/10.1001/jama.2025.16467
Bundesministerium für Gesundheit. Arbeitsauftrag an die„FinanzKommission Gesundheit“ (FKG). 2025. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/F/FinanzKommission_Gesundheit/250908_Kommission_Arbeitsauftrag_FKG.pdf
Bundesministerium für Gesundheit. Besetzung der FinanzKommission Gesundheit. 2025. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/F/FinanzKommission_Gesundheit/250908_Kommission_Besetzungsliste.pdf