Was steckt hinter der Kritik?
Immer noch NVL und schon wieder Kritik: Im März sind drei wichtige Fachgesellschaften aus dem Herausgeberkreis der Nationalen VersorgungsLeitlinie Chronische KHK zurückgetreten. Ende März haben die drei – Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (DGPR) – acht Kritikpunkte an der S3-Leitlinie publiziert. Die aktuelle Version 7 der Leitlinie war erst im August 2024 veröffentlicht worden, an dem Update haben die drei Fachgesellschaften mitgearbeitet. Den Rückzug aus der NVL bezeichnet die DGK selbst als „bisher beispiellosen Vorgang“. Die Kritiker sehen durch die NVL „potenziell die Patientensicherheit gefährdet“. Vor allem stoßen sich die drei medizinischen Fachgesellschaften daran, dass aus ihrer Sicht „aktuelle wissenschaftliche Evidenz bei mehreren entscheidenden Aspekten nicht berücksichtigt“ wurde.
Wir schauen uns die Kritik in dieser Episode vom EvidenzUpdate genauer an. Im ersten, hier publizierten Teil besprechen wir die Quellen und Argumente der Kritiker. In einem zweiten Teil des Gespräch, der in den kommenden Tagen veröffentlicht wird, denken wir über die „Metaphysik der Leitliniengenese“ nach und über einen inklusiven wissenschaftlichen Diskurs.
Spoiler für diese Episode: Der Rückzug der Fachgesellschaften aus der NVL markiert keinen Bruch, sondern eine Chance: für wissenschaftlichen Diskurs, methodische Klärung und kollegialen Austausch. Die Kritik der DGK benennt wichtige Punkte – etwa zur Berücksichtigung moderner PCI-Techniken, zur Rolle der Zielwertstrategie oder zur Symptomatik bei Frauen. Die NVL wiederum bietet differenzierte, evidenzbasierte und bewusst offene Empfehlungen, die die Versorgungsrealität im hausärztlichen Alltag abbilden. Ein Zwischenfazit: Unterschiedliche Perspektiven sind kein Hindernis, sondern Grundlage guter Medizin – wenn man sie transparent macht und miteinander ins Gespräch bringt. Scherer: „Wir brauchen keine Dogmen – sondern methodische Transparenz, die auch unterschiedliche Blickwinkel sichtbar macht.“
Kapitel:
00:05:46 – Die acht Kritikpunkte
00:07:44 – Bypass-Op oder PCI?
00:20:30 – Übergriffige Entscheidungshilfen?
00:26:04 – Therapieziel Prognoseverbesserung
00:38:09 – Statin-Indikation bei 75-Jährigen
00:45:55 – Ezetimib und Bempedoinsäure
00:56:00 – Treat-to-Target vs. Fire-and-Forget
01:14:36 – Dyspnoe als Angina-Äquivalent
01:22:00 – Marburger Herz-Score vs. RF-CL-Modelle
Zusammenfassung und Literatur findet ihr künftig auf www.evidenzupdate.de
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