Cochrane-Conclusio: Colchicin cuttet Cardio-Events – Evidenz-Quickie
Review zeigt kleinen Nutzen bei Infarkt und Insult
Mit Colchicin zur kardiovaskulären Sekundärprävention geht es hin und her: Die Überlegung, dass die entzündungshemmende Wirkung des Gifts der Herbstzeitlosen auch für Herz und Gefäße Vorteile haben könnte, ist nicht neu, sie wird seit Jahren erforscht. Nur es fehlt an Beweisen. Im Gegenteil: Jüngst erst zeigten zwei größere Studien, dass das Alkaloid keinen Benefit hat.
Heute aber vom Cochrane mit einem Review einer Autorengruppe aus der Schweiz und Deutschland:1
PICO
Wir übersetzen die Analyse in ein einfaches PICO-Schema. Kurz aber zu den Arbeiten, die die Gruppe untersucht hat:
12 RCT haben sie gefunden mit gesamt 22.983 Probanden (1:1-Randomisierung)
Die Follow-ups liefen 6–80 Monate
P(opulation)
Gesucht wurden RCT, die Colchicin mit jeder Kontrollintervention vergleichen, bei Menschen jeden Alters mit einer kardiovaskulären Erkrankung (bspw. stabile KHK, früherer Myokardinfarkt oder Schlaganfall)
Die Probanden waren zu Beginn der Studien im Mittel 57–74 Jahre
79,4% waren männlich
I(ntervention)
Colchicin 0,5mg 1×/d oder 2×/d für mind. 6 Monate
C(omparison)
Standardbehandlung plus oder ohne Placebo
O(utcome)
Gesucht wurden Gesamtsterblichkeit, neue Infarkte, schwere Nebenwirkungen, gefunden wurde das:
Gesamtsterblichkeit: kein Unterschied (RR 1,01 [0,84–1,21])
Herzinfarkt: 9 Ereignisse/1.000 Patienten weniger
NNT ≈ 111; RR 0,74 [0,57–0,96]Schwere Nebenwirkungen: 5 Ereignisse/1.000 Patienten weniger
NNT ≈ 200; RR 0,98 [0,94–1,02]Kardiovaskuläre Mortalität: 1 Ereignis/1.000 Patienten weniger
NNT ≈ 1.000; RR 0,94 [0,73–1,22]Schlaganfall: 7 Ereignisse/1.000 Patienten weniger
NNT ≈ 143; RR 0,67 [0,47–0,95]Revaskularisation: 9 Ereignisse/1.000 Patienten weniger
NNT ≈ 111; RR 0,83 [0,64–1,08]Hospitalisierung: keine Daten vorhanden
Die Cochrane-Gruppe hat die Daten in einem Online-Tool aufbereitet.
Zwischenfazit
Die Autoren bewerten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz (nach GRADE) als hoch für Infarkt, Schlaganfall und schwerwiegende Nebenwirkungen. Und ja, es kam häufiger zu Magen-Darm-Beschwerden, der Autorengruppe zufolge aber waren die Verläufe meist mild und vorübergehend. Zur Gesamtsterblichkeit etc. liefert die vorliegende Evidenz keine Hinweise.
Außerdem: Die ausgewerteten Publikationen basieren allesamt auf öffentlich finanzierten Studien. Für den Letztautor Lars Hemkens aus Bern ist das einmal mehr ein Hinweis, wie öffentliche akademische Forschung Therapieoptionen aufdecken kann, die in der traditionellen Arzneimittelentwicklung oft übersehen werden.
Aaaaber …
Im Review selbst lohnt ein Blick auf die Forest Plots, und in denen nivellieren sich die Effekte, je größer die Studienpopulation war, als Beispiel die Figure 6 für den Endpunkt Schlaganfall:
Erst im Sommer dieses Jahres hatte das arznei-telegramm einen lesenswerten Blickpunkt zu Colchicin bei der kardiovaskulären Sekundärprävention veröffentlicht. Deren Fazit: Angesichts der widersprüchlichen Ergebnisse der großen klinischen Studien, des negativen Verlaufs insbesondere von CLEAR sowie der engen therapeutischen Breite und häufigen gastrointestinalen Störwirkungen sehen wir zum derzeitigen Zeitpunkt keine Indikation für die Off-label-Anwendung von Colchicin zur kardiovaskulären Prävention außerhalb klinischer Studien.2
Die o.g. CLEAR-Studie von Jolly et al.3 ist auch Teil des Cochrane-Reviews. In der Studie mit immerhin über 7.000 Probanden gab es keinen Vorteil im Komposit-Endpunkt durch Colchicin binnen 3 Jahren. Allerdings: In CLEAR war die Rate der kardiovaskulären Ereignisse unerwartet niedrig, auch hatten 12,5% der Probanden die Studie abgebrochen.
Dieselbe Ernüchterung lieferte auch die CONVINCE-Studie von Kelly et al.,4 die ebenfalls Teil des Reviews ist. Unter den 3.154 Probanden nach Schlaganfall oder TIA fand sich kein Unterschied zur Verhinderung eines neuen Insults oder kardiovaskulärer Ereignisse. Dasselbe Bild liefert auch die vergangenes Jahr publizierte CHANCE-3-Studie aus China, die aber nicht in die Cochrane-Auswertung eingeflossen ist.5
Positive Effekte lieferten vor allem die LoDoCo2-Studie6 mit 5.522 KHK-Patienten (Hazard Ratio für Komposit: 0,69 [0,57–0,83] binnen 28,6 Monaten) und die COLCOT-Studie7 mit 4.745 Probanden nach Myokardinfarkt (Hazard Ratio 0,77 [0,61–0,96]).
Tja, wie heißt es so schön: Mühsam ernährt sich das Oachkatzl.
Habt einen schönen Donnerstag!
Literatur
Ebrahimia F, Ebrahimia R, Beer M, et al. Colchicine for the secondary prevention of cardiovascular events. Cochrane Database Syst Rev Published Online First: 2025;(11). doi: https://doi.org/10.1002/14651858.cd014808.pub2
Kardiovaskuläre Sekundärprävention mit Low-dose-Colchicin? a-t 2025;56(7):49–51. https://www.arznei-telegramm.de/html/2025_07/2507049_02.html
Jolly SS, d’Entremont M-A, Lee SF, et al. Colchicine in Acute Myocardial Infarction. N Engl J Med 2025;392(7):633–42. doi: https://doi.org/10.1056/nejmoa2405922
Kelly P, Lemmens R, Weimar C, et al. Long-term colchicine for the prevention of vascular recurrent events in non-cardioembolic stroke (CONVINCE): a randomised controlled trial. Lancet 2024;404(10448):125–33. doi: https://doi.org/10.1016/s0140-6736(24)00968-1
Li J, Meng X, Shi F-D, et al. Colchicine in patients with acute ischaemic stroke or transient ischaemic attack (CHANCE-3): multicentre, double blind, randomised, placebo controlled trial. BMJ 2024;385:e079061. doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2023-079061
Nidorf SM, Fiolet ATL, Mosterd A, et al. Colchicine in Patients with Chronic Coronary Disease. N Engl J Med2020;383(19):1838–47. doi: https://doi.org/10.1056/nejmoa2021372
Tardif J-C, Kouz S, Waters DD, et al. Efficacy and Safety of Low-Dose Colchicine after Myocardial Infarction. N Engl J Med 2019;381(26):2497–505. doi: https://doi.org/10.1056/nejmoa1912388




